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Die Morphologie der Arthropoden


Arthropoden haben gegliederte Beine, was ihnen auch ihren Namen einbrachte (Gliederfüßer).
Vergleicht man ihre Beine mit denen von Stummelfüßern oder Polychaeten (Borstenwürmer), ist zu sehen, dass sie sich im Gegensatz zu diesen mit durch Muskeln und Gelenken beweglich gemachten Beinen fortbewegen.

Weiterhin besitzen sie ein Exoskelett, das heißt, die dem Körper Halt gebende Struktur befindet sich außen und von innen hängen sich die Muskeln daran. Der Werkstoff für dieses Außenskelett sind riesige Ketten aus Glucose-Molekülen, die mit funktionellen Gruppen modifiziert sind, das Chitin.
Das Exoskelett schützt gut vor mechanischen Schäden und Austrocknung, doch bringt es einen entscheidenden Nachteil mit sich: die Chitincuticula kann nicht mitwachsen! Deshalb muss das Exoskelett in regelmäßigen Abständen abgestreift werden. Diesen Vorgang nennt man Häutung bzw. Ecdysis. Da die bereits unter der alten Haut gebildete Cuticula nach der Häutung noch sehr weich ist, sind die Tiere in dieser Phase sehr verletzlich. Daher verstecken sich viele Arthropoden zum Häuten.
Der Stamm Arthropoda gehört somit in den Überstamm der Ecdysozoa, der Häutungstiere, zu dem auch die sehr erfolgreichen Nematoden (Fadenwürmer) gehören.

Evolutionsgeschichtlich entstanden die Arthropoden in einer Zeitspanne in der eigentlich die meisten rezenten Tierstämme entstanden, nämlich vor 565-525 Millionen Jahren, am Ende des Präkambriums und zu Beginn des frühen Kambriums. Da zu dieser Zeit so viele neue Tierformen in relativ kurzer Zeit entstanden, wird oft von einer Formenexplosion gesprochen. Sie entwickelten sich aus einem Vorfahren, der wohl einen gleichartig segmentierten Körper besaß. Heute beispielsweise noch an Myriapoden, Anneliden und Stummelfüßern (Onychophora) zu sehen.

An jedem dieser Segmente befand sich ein Beinpaar - doch was ist daraus geworden?
Betrachtet man nun mal einen Käfer oder eine Spinne, dann ist deutlich zu sehen, dass diese im Gegensatz zu einem Tausendfüßer doch eine sehr reduzierte Anzahl an Beinen haben. Zudem sind auch ihre Körper in weniger Segmente unterteilt.
Und hier ist der „Clou“ in der Evolution der Arthropoden. Ein relativ einfacher Bauplan aus annähernd gleichen Teilen wird in Vielfacher Weise abgewandelt. Diese Einteilung des Körpers setzt sich auch ins Innere fort, betrifft also auch die Organe. Jedes Segment hatte ursprünglich seine eigene paarige Ausstattung an Organen, wie man es heute noch besonders beim Stamm der Annelida sehen kann, den Ringelwürmern, zu dem auch der Regenwurm gehört.

Das Abwandeln dieses Grundbauplanes äußert sich nun im Verschmelzen dieser Segmente zu größeren Körperabschnitten, den Tagmata. Bei Insekten in Kopf ( Caput), Brustteil (Thorax), Hinterleib (Abdomen). Bei Spinnentieren in nur 2 Abschnitte: Vorderkörper (Prosoma) und Hinterleib (Opistosoma). Krustentiere (Crustacea) z.B. haben ebenfalls nur 2 Körperabschnitte. Außerdem werden viele Beinpaare, die vorher dem Laufen dienten, stark umgewandelt und erfüllen jetzt vollkommen andere Funktionen. Man geht z.B. davon aus, dass die Fächerlunge und die Spinnwarzen der Araneae umgewandelte Extremitäten sind! Sehr offensichtlich sind auch das zu Fangarmen umgewandelte erste Laufbeinpaar der Mantodea oder die Scherenhände der Skorpione.
Interessanterweise sind viele Arthropodengruppen unabhängig voneinander „auf die gleiche Lösung gekommen“, und haben ähnliche Körperstrukturen entwickelt. So haben Spinnentiere wie Skorpione und Pseudoskorpione Scheren, aber auch Krustentiere wie Hummer oder Krabben besitzen diese. Zu einem Fangapparat ausgebildete Laufbeine sind ebenfalls durch alle Unterstämme der Arthropoden entwickelt, man schaue sich nur mal die Gottesanbeterinnen, Geißelspinnen und Fangschreckenkrebse an – 3 verschiedene Unterstämme mit 3 ähnlichen Entwicklungen (Konvergenz). Weniger offensichtlich ist vielleicht, dass auch die Mundwerkzeuge aus Laufbeinen entstanden sind, oder die für die Paarung wichtigen Gonopoden.
e Krustentiere haben es bei der Anzahl von Mundwerkzeugen zu 6 Paaren gebracht, die allesamt ihre eigene Aufgabe übernehmen. Spinnentiere haben im Vergleich hierzu nur ein Mundwerkzeugpaar, die Cheliceren.

Der zunächst sehr einseitig erscheinende Grundbauplan eröffnete das Tor zu einer Fülle von Formen die sich nach und nach durch den selektiven Druck natürlicher Umstände in das entwickeln konnte, was wir heute sehen und bestaunen können. Anstelle, dass jeder Körperabschnitt die gleiche Aufgabe erledigt, ist eine geniale Arbeitsteilung entstanden, die dem Tier eine höhere Angepasstheit an seine natürliche Umwelt verleiht.

F. Schramm